Das Audioskript zum Podcast
Sprecher*innen: Tabea Zorn (T) und Jenny S. Janßen (J)
Einstieg mit Musikjingle, ca. 10 sec, Fade out
J: Herzlich willkommen liebe Zuhörer*innen zu „Culture Experience“, ein Podcastbeitrag für die Vorstellung kulturwissenschaftlicher Forschung. In diesem Podcast geht es um Digitalisierung im Alter. Ältere Menschen und Technik? Was passiert, wenn diese beiden Komponenten aufeinandertreffen? Fest steht: Das Thema Altern – das Altwerden, in Bezug auf Digitalisierung betrifft uns alle in einer Welt des demografischen Wandels. Denn wer bleibt schon immer jung? Wir werden dem Alter auf die Spur gehen und fragen uns: Was bedeutet eigentlich Alter? Was bedeutet Alter in einer zunehmend digitalen Welt? Ist man wirklich nie zu Alt fürs Internet? Ich sitze hier glücklicherweise nicht allein im Studio, sondern habe mir für diesen Podcast eine hervorragende Verstärkung in der Moderation besorgt. Tabea studiert an der Universität Groningen im Master Psychologie. Herzlich Willkommen Tabea! Ich freue mich sehr, dass du da bist.
T: Hallo! Schön, dass ich dabei sein darf. Wenn du mich so nett vorstellst, dann kann ich mich gleich anschließen. Mir gegenüber sitzt nämlich Jenny Janßen. Sie studiert an der Universität Bonn „Transkulturelle Studien“, und dein aktuelles Forschungsprojekt bringt uns beide hier zusammen. Ich bin auch sehr gespannt und neugierig auf deine Ergebnisse und Erkenntnisse. Als ich deinen Titel der Forschung gehört habe, war ich erst mal erstaunt. Du bist ja selbst erst 25, und dann lese ich den Titel deiner Arbeit „Nie zu alt fürs Internet“?
J: Die Idee kam mir tatsächlich durch meine Oma. Sie hat sich während der Corona Zeit ihr Smartphone eingerichtet und aus unseren Gesprächen heraus habe ich mich gefragt, wie genau ältere Menschen eigentlich mit digitaler Hard- und Software umgehen. Nach einer Recherche bin ich dann auf den Digital Index 2021 gestoßen. Das ist gegenwärtig die größte und aktuellste, statistische Auswertung für digitale Nutzung in Deutschland. Und das Ergebnis zeigt, deutliche Unterschiede im Vergleich der verschiedenen Altersgruppen. Bei der Altersgruppe 70+ sind es nur 52% der Menschen, die das Internet nutzen, während es im Alter zwischen 20 bis 39 Jahre mit 99% nahezu alle Menschen sind. Die Tendenz zeigt allerdings, dass sich die Lücke immer weiter schließt und immer mehr ältere Menschen digitale Hard- und Software nutzen. Was hier aus kulturwissenschaftlicher Perspektive sehr interessant ist, ist wie ältere Menschen tatsächlich mit digitaler Technik umgehen. Und das wird an dieser Stelle aus der Statistik nicht ersichtlich, weil diese nur einen Unterschied der Generationen beleuchtet. Mich interessiert in meiner Forschung: Was sind ihre digitalen Praktiken im Alltag? Und welches Verständnis, welche Deutungsentwürfe und Aushandlungsprozesse in Bezug auf digitale Praxen können wir finden?
T: Spannende Fragen! Das klingt wirklich nach einem gesellschaftsrelevanten Thema. Du hast in deiner Forschung insgesamt acht qualitative Interviews geführt und warst auch auf einem Workshop zum Thema „Grundlagen für Smartphone und Tablets“ für Senior*innen mit dabei. Was ist dir in deinem Material besonders aufgefallen? Was fandest du besonders interessant?
J: Ja, bei der Fülle an Material gibt es total viele interessante Erkenntnisse und beim Lesen und Hören der Interviews stoße ich auch immer wieder auf neue Aspekte. Deshalb habe ich mir für diesen Podcast ein Beispiel ausgesucht und auch den passenden Interviewausschnitt mitgebracht. Ich würde sagen wir hören auch gleich mal in den Interviewausschnitt rein. Dazu möchte ich betonen, dass die genannten Namen aus Datenschutzgründen anonymisiert wurden.
T: Wir hören jetzt Agnes Krämer. Sie ist 88 Jahre alt und ehemals gelernte Krankenschwester. Sie selbst besitzt ein Smartphone, das früher ihrem Mann gehört hat, aber nutzt es für ihren Alltag nicht – man könnte beinahe sagen sie boykottiert es. Generell spielt digitale Technik in Form von Computer und Smartphone in ihrem Leben kaum eine Rolle, weil sie mehrfach betont, dass ihr Mann für die Technik zuständig wäre. Im Gesprächsausschnitt fragst du, ob und wie Menschen in ihrem älteren Bekanntenkreis mit digitaler Hard- und Software umgehen.
Zitat [Original wird eingespielt]:
Agnes Krämer: Ich kann nur ein Beispiel sagen, bei unserem Stammtisch, sind wir zehn, fünfzehn Leute und da ist eine die mit dem Internet, mit dem Smartphone umgehen kann und die Anderen haben auch „Guck mal hier und guck mal da“ und dann haben sie wieder einen falschen Knopf gedrückt und dann haben sie wieder (lachen) alles für die Katz! Da konnten sie nicht mal mehr telefonieren, geschweige denn Enkelkindern zeigen, also von Zwölfen ist eine dabei, die ja , (..) wo die Kinder und Enkelkinder permanent danebenstehen und versuchen, der Oma zu helfen. Aber sie möchten schon dabei sein, aber (..)
Jenny Janßen: Also sprechen Sie zum Beispiel auf dem Stammtisch, haben Sie sich mal darüber unterhalten?
Agnes Krämer: Weniger, weniger, weil wir alle weit weg sind von dieser (.) von dieser Thematik. Eine Dame meinte die ist ganz auf den neusten Stand und dann hat sie wieder einen falschen Knopf erwischt und dann war wieder alles weg, aber also die / in meinem Alter sind Sie nicht mehr fit in dieser Richtung
(Agnes Krämer, 88 Jahre, Rentnerin)
J: Ich erinnere mich wirklich gerne an das Gespräch mit Frau Krämer. Was mir in diesem Interviewausschnitt auch später in der Analyse aufgefallen ist, ist ihre Beschreibung der Interaktion mit digitaler Technik – in diesem Fall das Smartphone. Dabei imitiert sie zuerst die Begeisterung, oder auch eine gewisse Faszination für die Technik ihres Umfeldes, mit der Aussage: „Guck mal hier und guck mal da“ und diese Faszination wird aber mit dem Drücken eines falschen Knopfs abrupt beendet. Dabei sticht vor allem die Vokabel des „Drückens“ besonders ins Auge, denn sie beschreibt eine digitale Praktik und damit auch ein spezifisches Verständnis von Technik.
T: Was genau meinst du mit digitaler Praktik?
J: Praktiken beschreiben erst einmal das Tun, Sprechen, Denken, Fühlen und Handeln von Menschen und nehmen Tätigkeiten in den Blick. Andreas Reckwitz, ein Kultursoziologe, versteht Praktiken als ein, Zitat „Komplex aus regelmäßigen Verhaltensakten und praktischem Verstehen“. Und diese regelmäßigen Verhaltensakte, die können wir sehr gut auch bei der Praktik des Drückens von Frau Krämer beobachten. Das Drücken ist hier auch eine explizite digitale Praktik, weil sie als Synonym für die Tätigkeit schlechthin, für das Bedienen des Smartphones assoziiert wird. Indem ein richtiger Knopf gedrückt wird, funktioniert das Smartphone. Es beschreibt eine Tätigkeit, die auf einen fixen Punkt, nämlich den Knopf hin anzuwenden ist. Und wenn man falsch drückt, dann ist der Handlungsrahmen unterbrochen und das Smartphone funktioniert nicht mehr.
T: Das Drücken von Frau Krämer ist also eine sehr zielgerichtete und lineare Bewegung und es gibt eigentlich auch nur ein Richtig oder Falsch, ein Ja oder Nein was ihre Vorstellung von digitalen Praktiken angeht. Was genau ist denn der Hintergrund für dieses praktische Verstehen?
J: Interessant, dass du richtig oder falsch ansprichst. Letztendlich funktionieren Computer und digitale Technik, ja genau auf diesem Prinzip des binären Codes. Entweder 1 oder 0, woraus sich dann die Handlungsanweisungen ergeben. Das menschliche Verhalten ist dahingehend deutlich komplexer, Und der Hintergrund für das praktische Verstehen von Frau Krämer ebenso. Erst einmal können wir festhalten, dass digitale Praktiken immer auch an digitale Wissensbestände angegliedert sind, d.h. unser Wissen und unsere Kenntnisse über digitale Technik bestimmen und beeinflussen unsere tatsächliche Handlung und unsere Deutung der Handlung.
T: Du hast dich in deiner Analyse am Praxeologie-Verständnis von Andreas Reckwitz orientiert und er schreibt in seiner Monografie „Kreativität und Soziale Praxis“:
„Im Jetzt des Akts in diesem Moment wird immer auf vergangene Akte rückverwiesen, sie werden gewissermaßen in der Praxis »erinnert« (was keineswegs Erinnerungsrepräsentation im Bewusstsein der Akteure voraussetzt), zugleich wird immer auf Künftiges vorverwiesen, auf die zwangsläufige Fortsetzung der Praxis im nächsten Moment oder in eine weitere Zukunft“
Andreas Reckwitz, Kreativität und Soziale Praxis 2016, S. 123f.
Das musst du mir jetzt aber mal genauer erklären.
J: Andreas Reckwitz bringt es auch hier ziemlich gut auf den Punkt. Frau Krämer überträgt nämlich ihr analoges Verständnis von Technik auf digitale Techniken, sie ‚erinnert‘ also die Alltagspraktik des Drückens und projiziert es auf das Smartphone.
Frau Krämer kümmert sich um die Wäsche und das Zubereiten des Essens. Und welche technischen Geräte finden wir da? Zum einen die Waschmaschine und zum anderen die Geschirrspülmaschine. Diese werden durch das Drücken eines Knopfes in die richtige Funktion gebracht. Und genau diese Praktik und dieses zielgerichtete Handeln überträgt sie jetzt auch auf die Funktionsweise des Smartphones. Das inkorporierte Wissen, die Bedienung der Haushaltsgeräte wird hier also per excellence angewendet
In diesem Arbeitsbereich, Haushalt betont sie mehrfach agency, also eine gewisse Handlungsmacht in Bezug auf das richtige Drücken. Im Vergleich zu ihrem Mann, der die Knöpfe der Waschmaschine immer zu schnell drücken würde, behält sie die Ruhe.
T: Es ist sehr interessant, wie Frau Krämer zwischen richtig und falsch unterscheidet. Die Kulturwissenschaftlerin Barbara Siefele arbeitet ebenfalls mit dem praxiologischen Verständnis von Andreas Reckwitz und erkennt in diesen Abgrenzungsprozess einen „praktischen Sinn“. Was genau bedeutet dieser praktischer Sinn für Frau Krämer?
J: Der praktische Sinn wird hier besonders in den Konflikten sichtbar. Frau Krämers Verständnis von digitaler Praxis führt früher oder später zu Konflikten, denn digitale Technik geht über das Drücken von Knöpfen mit einem eindeutigen Ergebnis hinaus. Wenn falsch gedrückt wird, ist es nicht nur schwierig das Smartphone wieder zu benutzen, sondern es stellt sich auch eine Abhängigkeit von den Kindern und Enkelkindern ein. Welche, Zitat von Frau Krämer „permanent danebenstehen und versuchen der Oma zu helfen“. Diese Sorge in Abhängigkeit zu geraten, das impliziert auch einen Wunsch nach Selbstständigkeit und selbstständigen Leben im Alter. Frau Krämer beschreibt im Interview mehrfach, dass es ihr wichtig ist selbst zu entscheiden, wie sie ihren Tagesablauf und ihre Freizeit gestaltet. Sie assoziiert Selbstständigkeit mit körperlicher Fitness und das führt uns zu einer gesellschaftlichen Vorstellung von Alter, den sogenannten gesellschaftlichen Altersbildern.
T: Welche Rolle spielen den gesellschaftliche Altersbilder im Bezug auf digitale Techniken? Mir fällt da gleich das Sprichwort ein „du bist so alt wie du dich fühlst“. Ist das denn auch die Definition von Alter aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive?
J: Das Sprichwort ist wirklich ein gutes Beispiel. Wir können hier nämlich zwei miteinander konkurrierende Altersbilder und Vorstellungen erkennen. Auf der einen Seite wird Alter als etwas Defizitäres verstanden. Alter wird assoziiert mit Sterblichkeit, Zerbrechlichkeit und Hilfsbedürftigkeit. Frau Krämer beschreibt dieses wie folgt mit Zitat „in meinem Alter sind sie nicht mehr fit in dieser Richtung“. „Diese Richtung“, damit versteht sie digitale Praktiken. Sie nimmt also das Alter zum Grund, sich nur noch schwer auf den Umgang mit digitaler Technik einzulassen. Dahinter steht auch die Vorstellung Alter als ein körperliches und kognitives Defizit zu werten.
Auf der anderen Seite zeigt sich ein Altersbild, dass unter dem Schlagwort „Active Aging“ und den „jungen Alten“ bekannt ist. Hier wird die Aktivität von älteren Menschen betont. Stefanie Stadelberger und Werner Schneider, zwei Kulturwissenschaftler:innen haben es hier gut und kritisch auf den Punkt gebracht: „Die Aktivität kommt im Mantel des ‚produktiven Alters‘“. Hinter dem produktiven Alter steht laut den Autor*innen ein Altersbild, das als Resultat unseres kapitalistischen Systems gewertet wird. Frau Krämer beschreibt es im Interview mit „sie möchten schon dabei sein, aber“. Das heißt, dieses „dabei sein“ – die Teilhabe an der Gesellschaft, wird als ein großer Motivator beschrieben, sich mit digitalen Techniken überhaupt auseinander zu setzen. Diese Teilhabe kann sich durch den Medienkonsum nahezu erkauft werden. Das offene „aber“ am Ende von Frau Krämers Satz, deutet schon darauf hin, dass die Teilhabe an der Gesellschaft durch digitale Praktiken in ihrem Umfeld und persönlichen Alltag keine überzeugende Handlungspraktik darstellt.
T: Du hast hier eine Broschüre mitgebracht vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sowie der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz mit dem Titel „Nie zu alt fürs Internet“ und wenn wir da ein bisschen reinschauen sehen wir, dass es sich um eine Informationsbroschüre handelt, adressiert an Senior*innen, die zuvor noch wenig Kontakt zu digitaler Hard- und Software hatten. Franziska Giffey, unsere ehemalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend schreibt im Vorwort Zitat: „Lassen Sie sich mitnehmen in die digitale Welt. Denn man ist nie zu alt fürs Internet!“ Wäre das vielleicht ein Ratschlag für Frau Krämer?
J: Ich denke Frau Krämer ließe die Informationsbroschüre relativ unberührt in der Ecke stehen, denn der alltägliche Umgang mit digitaler Hard- und Software widerspricht ihrem Verständnis von Selbstständigkeit. Sie fühlt sich selbstständig indem sie lange Fahrradtouren unternehmen kann, wandern geht und reist. Das Umgehen mit digitaler Technik ist auch wegen der Rollenaufteilung zwischen ihrem Mann und ihr im Haushalt nicht notwendig. Der entschiedenste Punkt sind hier vielmehr die nicht vorhandenen Wissensbestände über digitale Technik. Die Broschüre geht mit der Vorannahme ins Feld, dass Alter der Grund sei sich nicht mit digitaler Technik auseinanderzusetzen. Die Vorstellung von Alter in der Broschüre ist geprägt von einer Aufteilung der Gesellschaft in digital natives und digital immigrants. Eine Vorstellung, die von dem Sozialwissenschaftler Marc Prensky Anfang der 2000er Jahre wissenschaftlich formuliert wurde. Digitale Imigrant*innen, also digital immigrants stellen dabei vor allem ältere Menschen dar und das Ungleichgewicht von einem Generationenkonflikt wird auf Basis dieser Annahme herausgestellt.
T: Aber ist eine Unterteilung in digital immigrants und digital natives nicht sehr vereinfacht?
J: Ja, genau, das ist die Kritik an der Theorie. Die Unterscheidung reproduziert vielmehr ein defizitäres Verständnis von Alter mit nicht vorhandenen digitalen Wissensbeständen. Doch die aktuellen Statistiken des Digital Index 2021 zeigen, dass immer mehr ältere Menschen digitale Technik nutzen. Das Konzept der digitalen Immigrant*innen ist sehr undynamisch und stagniert. Besser gefällt mir der Ansatz von Qian Wang, Michael Myers und David Sundaram. Sie führen den Begriff der digitalen Gewandtheit (eng. digital fluency) ein. Dieses Konzept stellt das Erlernen von digitalen Wissensbeständen heraus und bekräftigt ein dynamisches Verständnis digitaler Praktiken. Und wenn wir an Frau Krämer denken, dann könnte es in der Zukunft durchaus zu Veränderung ihrer digitalen Wissensbestände kommen. Digital fluency ist ein Begriff, der auch die Diversität von ganz verschiedenen Wissensbeständen miteinbezieht. Ich habe in meiner Projektarbeit insgesamt acht sehr verschiedene Menschen mit unterschiedlichsten digitalen Wissensbeständen kennengelernt. Es ist ein großer Unterschied, ob ich mich mit einer ehemaligen ITlerin unterhalte, die ihr ganzes Leben in der Computerindustrie arbeitete oder mit einem digitalen Novizen, der gerade sein erstes Smartphone einrichtet. Trotzdem werden beide unter dem Begriff ‚Alter‘ geframt und müssen sich mit den gesellschaftlichen Altersbildern auseinandersetzen.
T: Da ist der Begriff der digitalen Gewandtheit auf jeden Fall eine Hilfe, um diese verschiedenen Wissensbestände mitzudenken. Wir sind auch schon fast am Ende unseres Podcasts und als Abschlussfrage habe ich mir die letzte Frage in deinem Interviewleitfaden für die Akteur*innen angeschaut. Was denkst du? Wie wir der Umgang mit digitalen Techniken für ältere Menschen in der Zukunft aussehen?
J: Gute Frage, Zukunft ist natürlich immer etwas sehr Abstraktes. Wenn wir uns aber die heutigen Tendenzen einer kapitalistischen Aktivgesellschaft angucken, die immerzu darauf aus ist möglichst jung, sportlich und technisch gewandt sich zu repräsentieren, dann finde ich für das gesellschaftliche Altersbild des „Active Aging“ wichtig,kritisch reflektiert zu werden. Stephanie Stadelbacher und Werner Schneider haben es sehr passend auf den Punkt gebracht:
„Die Altersordnung und Altersgrenzen flexibilisieren und differenzieren sich vor diesem Hintergrund immer mehr aus. Auch das zeigt: Alter(n) ist immer ein Spiegel der Gesellschaft und des sozialen Wandels, mithin also Ausdruck der je vorherrschenden Werte, Deutungsmuster und Leitprinzipien“
(Stephanie Stadelbacher und Werner Schneider, 2020, S.4)
T: Wir haben uns am Anfang des Podcast gefragt was Alter eigentlich ist. Ich nehme aus dem Podcast auf jeden Fall mit, dass Alter als soziales Konstrukt immer erst hergestellt werden muss und das gelingt oft über gesellschaftliche Altersbilder, die von den Akteurinnen verhandelt werden. Das sich Alter immer weiter ausdifferenziert ist nicht zuletzt ein logischer Schluss unserer kapitalistischen Weltordnung. Die Dichotomie aus aktiv vs. passiv, bedürftig vs. selbstständig und autonom vs. abhängig wird mit dem Begriff Alter verhandelt und das spiegelt wiederum unsere Gesellschaft. Ein Thema, über das wir bestimmt noch viele weitere Nächte stundenlange Podcast entwerfen könnten. Für diesen Moment möchte ich mich aber nochmal ganz herzlich für deine Einladung bedanken. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht diesen Vormittag mit dir im Studio zu verbringen.
J: Vielen Dank. Auf Wiedersehen!
Quellen:
- Sieferle, Barbara (2020): Praxis. In: Timo Heimerdinger und Markus Tauschek (Hg.): Kulturtheoretisch argumentieren. Ein Arbeitsbuch. Münster: Waxmann (UTB, 5450), S. 408–432.
- Initiative D21 e.V. (2021): D21-Digital-Index 2020/21. Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft. 1. Auflage. Berlin: Initiative D21 (D21-Digital-Index).
- Reckwitz, Andreas (2003): Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine Sozialtheoretische Perspektive. In: Zeitschrift für Soziologie (32/4), S. 282–301.
- Reckwitz, Andreas (2016): Kreativität und soziale Praxis. Studien zur Sozial- und Gesellschaftstheorie. Bielefeld: transcript (Sozialtheorie).
- Stadelbacher, Stephanie; Schneider, Werner (2020): Einleitung: Lebenswirklichkeiten des Alter(n)s – Vielfalt, Heterogenität, Ungleichheit. In: Stephanie Stadelbacher und Werner Schneider (Hg.): Lebenswirklichkeiten des Alter(n)s. Vielfalt Heterogenität Ungleichheit. 1. Auflage 2020. Wiesbaden: Springer VS, S. 1–26.
- Wang, Qian; Myers, Michael D.; Sundaram, David (2013): Digital Natives and Digital Immigrants. Towards a Model of Digital Fluency. In: Business & Information Systems Engineering 5 (6), S. 409–419.
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