TAGUNGEN

Referenten und Abstracts (Digitale Praxen 2015)

von | Apr 13, 2020

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Übersicht der aktive Tagungsteilnehmer (alphabetisch) zusammen mit den Abstracts der Vorträge.

Christoph Bareither (Universität Tübingen)
Stefan Beck (Humboldt Universität zu Berlin)
Claudia Bremer (Universität Frankfurt)
Jette Brumm (Hamburg)
Martin Deschauer (Universität Frankfurt)
Ina Dietzsch (Universität Basel)
Manfred Faßler (Universität Frankfurt)
Julia Fleischhack (Universität Zürich)
Mathias Fuchs (Leuphana Universität Lüneburg)
Frank Hartmann (Bauhaus Universität Weimar)
Petra Ilyes (Universität Frankfurt)
Katharina Kinder-Kurlanda (GESIS Köln)
Michael Klein (INM Frankfurt)
Andrea Knaut (Humboldt Universität zu Berlin)
Gertraud Koch (Universität Hamburg)
Laura Kocksch (Universität Frankfurt)
Stefan Laser (Universität Kassel)
Torsten Meyer (Universität zu Köln)
Petra Missomelius (Universität Innsbruck)
Marion Näser-Lather (Universität Paderborn)
Jana Niemeyer (studiumdigitale Frankfurt)
Carsten Ochs (Universität Kassel)
Jörn Petersen (Daimler Stuttgart)
Elena Pilipets (Universität Klagenfurt)
Andreas Poller (TU Darmstadt)
Georg Russegger (Akademie der bildenden Künste Wien)
Christoph Schindler (DIPF Frankfurt)
Christian Schönholz (Universität Marburg)
Alexander Schwinghammer (Bauhaus Universität Weimar)
Dominik Stampfl (GEElab Karlsruhe)
Marco Toledo Bastos (Duke University, Durham/University of California, Davis)
Tommaso Venturini (Science Po Paris)
Gisela Welz (Universität Frankfurt)
Rainer Winter (Universität Klagenfurt)
Andreas Wittel (Nottingham Trent University)
Meike Wolf (Universität Frankfurt)
Eberhard Wolff (Universität Basel)

Christoph Bareither (Universität Tübingen): Einschreiben und Codieren: Ethnografisches Arbeiten mit QDA-Software (zusammen mit Marion Näser-Lather); MAXQDA-Workshop

Der Vortrag greift einen kritischen Punkt methodologischer Debatten innerhalb ethnografisch arbeitender Disziplinen auf: obwohl diese sich intensiv mit methodischen Fragen der Erhebung und Reflexion ihres Materials auseinandersetzen, kommen dabei die Möglichkeiten und Probleme computergestützter Analyseverfahren kaum zur Sprache. Wir hoffen, durch unseren Vortrag eine kritische Auseinandersetzung mit Qualitative-Data-Analysis-Software (QDA-Software) beziehungsweise Computer Assisted Qualitative Data Analysis (CAQDA) durch die Mitglieder der Kommission „Digitalisierung im Alltag“ anregen zu können.
Im ersten Teil werden anhand eines konkreten Forschungsgegenstands Codierungsverfahren vorgeführt. Dabei soll gezeigt werden, wie im softwaregestützten Analyseprozess Datenerhebung, Auswertung und zugrundeliegende Theorien miteinander verschränkt sind. Aus der Darlegung der materialbasierten Kategorien- und Hypothesenbildung ergeben sich Fragen nach der Einschreibung von Programmarchitekturen und Vorgehensweisen in die Konstruktion von Sinn und Bedeutung im Forschungsprozess. Diese werden dann im zweiten Teil des Vortrags fortgeführt, in dem die grundsätzlichen Zweifel an, Probleme mit, aber vor allem Chancen der Forschung mit QDA-Software zur Debatte stehen. Grundsätzlich bietet computergestützte Analyse veränderte Möglichkeiten im Vergleich zu der beispielsweise an ihre Materialität gebundene Arbeit mit Papier und Karteikarten. Zugleich bringt die Technik  kritisch zu reflektierende Objektpotenziale mit in den Arbeitsprozess ein. Beide Dimensionen gilt es zu reflektieren, wenn digitale Praxen nicht nur Gegenstand, sondern integraler Bestandteil des Methodenrepertoires ethnografischen Arbeitens sein sollen.

Stefan Beck (Humboldt Universität zu Berlin): Versuch über analoge und digitale Praxen – und deren Relation(-ierung)

 Der Vortrag schlägt vor, die sozialwissenschaftliche Aufmerksamkeit darauf zu richten, wie das Soziale durch die massenhafte Verwendung digitaler Prozesse und Optionen neu gestaltet wird. John R. Searle wies Sprechakten („status function declarations“) eine zentrale Rolle für die Konstitution des Sozialen zu – analog sollten sozial- und kulturanthropologen u.a. auf Technoakte achten – „status function operations“ –, die konstitutiv für das Soziale sind. Neuere Praxistheorien stellen hierbei ein nutzbares theoretisches Vokabular bereit insbesondere weil sie davon ausgehen, dass das Soziale Ergebnis von hybriden (sozio-technischen) Praktiken sei. Allerdings arbeiten auch neuere Praxistheorien noch mit einer wenig hilfreichen Subjekt/Objekt-Dichotomie, die – so will der Vortrag erläutern – die praxistheoretische Pointe verfehlt und empirisch den Blick auf die Analyse des Gebrauchs des Digitalen verstellt. Unter Rückgriff auf kybernetische Modelle (Bateson et al.) ließen sich diese blinden Flecken jedoch überwinden.

Claudia Bremer (Universität Frankfurt): Herausforderungen des Lernens in digitalen Lernwelten: Vom adaptiven Lernsystem zum selbstgesteuerten Lernenden?

Im Bereich des Einsatzes digitaler Medien in der Bildung bilden sich aktuell verschiedene Trends heraus, die z.B. jährlich im Horizon Report dargestellt werden und nach und nach auch in den Alltag der Bildungspraxis Einzug halten. Wichtige Trends der letzten Jahre waren beispielsweise die Nutzung sozialer Netzwerke und Web 2.0 Tools in Bildungsprozessen wie auch der plötzliche Hyphe rund um die Massive Open Online Courses. Eine zentrale (medien-)didaktische und pädagogische Diskussion wird zur Zeit rund um die Nutzung adaptiver Lernsysteme geführt, die schon in den Achtzigern modern und diskutiert wurden und nun angesichts der zunehmenden Möglichkeiten der digitalen Datenerhebung und -auswertung, vor allem des Nutzerverhaltens der Lernenden wieder neu thematisiert werden. Der Beitrag gibt einen Überblick über die verschiedenen im Bereich digital gestützter Bildungsprozesse entstehenden Daten und zeigt anhand der Untersuchung zweier cMOOCs eine Analyseinstrument auf, das in Frankfurt umgesetzt wurde. Er thematisiert auch die aktuelle Diskussion rund um die datengetriebenen Gestaltungs­möglichkeiten digitaler Lernangebote und deren mög­liche Grenzen und Gefahren.

Jette Brumm (Hamburg): Bourdieu 2.0 – Das digitale Feld

 Durch die Einführung des Internets und dessen Etablierung im gesellschaftlichen Alltag ist eine digitale Parallelwelt entstanden, welche ihren eigenen Regeln zu folgen scheint. „Viral Videos“ machen Schlagzeilen und in den Medien wird darüber diskutiert, welche öffentlichen Personen die meisten digitalen Anhänger vorweisen können.
Auch in der Wissenschaft werden solche und andere digitale Phänomene durch Forschungsprojekte aller Art analysiert und bewertet. Mit meiner Arbeit „Bourdieu 2.0 – Das digitale Feld“ (Brumm 2013) soll nun aufgezeigt werden, warum Bourdieus Feldtheorie eine mögliche Methodik darstellt, mithilfe derer internetspezifische Dynamiken und  Strukturen analysiert und kontextualisiert werden können. Ergänzt wird dieser Ansatz unter anderem durch die Bezugnahme auf die von Bourdieu definierten Kapitalformen und die von Sarah Thorntons vorgenommenen Erweiterung und Aktualisierung („subkulturellem Kapital“).
Der Vortrag wird Argumente benennen, warum es hilfreich ist, das Internet als „Feld“ nach Bourdieu zu definieren, und darauf aufbauend beleuchten, welche Faktoren strukturierend auf dieses Feld einwirken.
Die so gewonnen Erkenntnisse werden in Form eines vorläufigen Feldentwurfs vorgestellt und dieser wiederum im von Bourdieu definierten „Feld der Macht“ verortet werden.

Martin Deschauer (Universität Frankfurt): Modelle in den Computational Neuroscience

Im Zusammenhang mit Diskussionen über Big Data und Computersimulationen gab es in den letzten Jahren immer wieder (mehr oder weniger plakative) Äußerungen, die ein Ende von Theorien vorhersagen oder ihren Status unter den Vorzeichen veränderter wissenschaftlicher Arbeitsweise in Frage stellten. Der wissenschaftstheoretische Status von Simulationen als „dritten Referenzpunkt“ (Strübing 2003) wirft Fragen über die Dichotomie von Theorie und Experiment auf. In diesem Zusammenhang möchte ich in meinem Vortrag anhand des BlueBrainProjects als Beispiel aufzeigen, welche Vorstellungen und Ideen über Wissenschaft und wissenschaftliche Theorie unter den Vorzeichen von Computersimulationen zirkulieren.

Ina Dietzsch (Universität Basel) Chair Session: Methodische Herausforderungen

Manfred Faßler (Goethe Universität Frankfurt): Begrüßung und Einführung; Medientechnologie und Kulturanthropologie – Ein Gespräch (zusammen mit Gertraud Koch)

Julia Fleischhack (Universität Zürich): Hinter den Kulissen. Epistemologien ferner Computerwelten

Der US-amerikanische Kulturanthropologe Michael M. J. Fischer beschreibt Computer, Software-Systeme, das Internet und andere lokale vernetzte Systeme als Schlüsselstellen, mit denen – in Anlehnung an Lyotard’s Studie des Wissens in post-industriellen Gesellschaften – „postmoderne Wissensformen“ (Lyotard 1979) ausgetüftelt werden (Fischer 2009: 88). Im Fokus meines Vortrages stehen die epistemischen An- und Herausforderungen, die die Weiterentwicklung hochkomplexer Computerarchitekturen in einem europäischen Hochleistungsrechenzentrum an sein Arbeitsumfeld stellt. Das „computertechnisch je Machbare“ (Vehlken/Engemann 2011: 143)  scheint zentrales Leitdiktum und Arbeitsprinzip dieser hochinnovativen und hochkompetitiven Arbeitswelt zu sein. Das Streben nach dem ultimativen Algorithmus und Code, nach immer schnellerer Rechenleistung, sind grundlegender Bestandteil des Arbeits- und Forschungsalltags in der Einrichtung.
Auf der Basis meiner laufenden ethnografischen Forschung unter Computerexperten, Systemingenieuren, Software-Entwicklern und Technikern aus dem Feld des ‚High-Performance Computing’ soll das Ausloten und Experimentieren mit materiellen und technischen Grenzen der Computerentwicklung in diesem Bereich in den Blick genommen werden. Wie werden sie wahrgenommen, verhandelt oder auch problematisiert? Mein Vortrag gibt nicht nur Einblicke in eine Computer- und Arbeitswelt, die weitgehend unbekannt ist, sondern möchte auch Anschlussstellen zu weiteren parallelen gesellschaftlichen Entwicklungen im digitalen Sektor vornehmen.

Mathias Fuchs (Leuphana Universität Lüneburg): Quantified Self

Fuchs beschäftigt sich mit dem Phänomen und dem Trend der freiwilligen Selbstvermessung und der unaufgeforderten Veröffentlichung selbsterhobener Daten zur eigenen Person. Obwohl die Vermessung physiologischer und biographischer Daten kulturgeschichtlich nicht neu ist, verwundert die Konjunktur vermeintlich privater digitaler Messwerte und das Interesse für die Daten anderer. Fuchs vergleicht künstlerische Strategien der Inszenierung selbsterhobener Daten am Beispiel der Arbeiten von Douglas Gordon, On Kawara, Eva Wohlgemuth und Stephen Cartwright und analysiert Intention und Effekte dieser künstlerischen Selbstquantifizierung mit denen populärer, zeitgenössischer und alltagskultureller Selbstvermessung.

Frank Hartmann (Bauhaus Universität Weimar): Entwürfe des Möglichen – Zur Visualisierung von Modellen

Aus einer Welt registrativer Aufzeichnung in Schrift und Bild wechseln wir aktuell in eine Welt visueller Modelle, die auf Digitalisierung und Rechenleistungen beruht. Daraus folgen ästhetische Medienumwelten, welche die Realwelt überlagern. Neu ist das nicht – wie wir seit der Entdeckung prähistorischer Höhlenbilder wissen. Was aber hat sich spürbar verändert? Der Beitrag greift die Frage nach einer „neuen Einbildungskraft“ (Flusser) unter Bedingungen von Software auf und diskutiert die Differenz Anschauung und Evidenz, bzw. Diagrammatologie und Explizitmachung als kulturtechnisches Problem unter Bedingungen digitaler Möglichkeiten. 

Petra Ilyes (Universität Frankfurt): Online Praxis in situ: setParticipantID: (id, network) -> (zusammen mit Laura Kocksch und Andreas Poller)

 Forschungen zu und in Online-Umgebungen sind seit langem im Fach präsent. Allerdings stehen solche Forschungen nach wie vor nicht nur vor einer Reihe theoretischer sondern auch forschungspraktischer Herausforderungen. Innovative, kritische und reflexive Auseinandersetzung mit neuen Datenformen, Experimentation mit verschiedenen Datenquellen und Techniken sowie innovativen Methoden, aber auch Kollaborationen mit Forschenden in der Informatik und anderen Disziplinen werden nachgefragt.

Wir skizzieren einige methodologische Herausforderungen interdisziplinärer Kollaboration anhand eines seit 2009 laufenden interdisziplinären Kooperationsprojekts zwischen Kulturanthropolog/innen des Instituts für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Goethe-Universität Frankfurt und Informatikern des Frauenhofer SIT in Darmstadt am Beispiel unserer Studien zu Sozialen Online-Netzwerken.

Wir stellen ein gemeinsam entwickeltes Software-Tool vor, das zusätzlich zur Erhebungsmethode der Selbstauskunft von Beforschten in qualitativen Interviews eine Beobachtungsebene schaffen soll, die Forschende in Online-Umgebungen oft nicht ohne weiteres haben. Das Tool respektiert die Privatsphäre der Beforschten und ihre Eigentumsrechte an ihren Daten. Wir zeigen seine Einsatzmöglichkeiten beispielhaft anhand einer Studie über Nutzungspraxen und Gruppenkonstitution im Sozialen Online-Netzwerk „Facebook“.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit wird in der Forschungslandschaft weithin gefordert. Dies ist jedoch keineswegs einfach umsetzbar, wie eine Reihe von Studien zeigen, und bedarf selbst der Untersuchung. Wir diskutieren daher auch unsere Erfahrungen und Überlegungen zur Problematik interdisziplinärer Arbeit anhand unserer eigenen Forschungskollaboration mit dem Begriff der „Übersetzung“.

Katharina Kinder-Kurlanda (GESIS Köln): Chair Session: Education/Learning

Michael Klein (INM Frankfurt): Augmented Realities

Andrea Knaut (Humboldt Universität zu Berlin): Körper – Muster – Person. Erkennen Maschinen Menschen wieder?

 Alan Turing veröffentliche 1950 seinen erst im letzten Jahr wieder mit dem Titel des Films »The Imitation Game« aufgegriffenen Aufsatz zur Frage, ob Maschinen denken können. Für ihn war klar, dass sie es spätestens dann könnten, wenn Menschen in verbaler Kommunikation mit ihnen nicht mehr zu unterscheiden in der Lage sind, ob sie mit einem Menschen oder einer Maschine sprechen. Intelligenz ist, so betrachtet, eine kommunikative Zuschreibung. Turings Behauptung bleibt nach wie vor umstritten. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sind bis heute gut geförderte Forschungszweige der Informatik.
Auch die informatische Biometrie, die sich teilweise mit diesen Gebieten überschneidet, genießt große finanzielle Zuwendung. Der Erfolg biometrischer Anwendungen beruht auf der Hoffnung, Personen in anonymen und unsicheren Kontexten, in denen dennoch vertrauliche und individualisierte Zugänge zu Ressourcen ermöglicht werden sollen oder in denen es – traditioneller – um die Aufklärung von Verbrechen geht, zuverlässig und sicher zu identifizieren. Zuverlässiger vielleicht sogar, als es Menschen könnten.  
Hier wird eine der Turing-Frage nicht unähnliche und mit vielen Ängsten behaftete Problematik tangiert: Können Maschinen Menschen wiedererkennen? In der Biometrie wird diese Frage als klar eingrenzbares, formalisierbares Problem der Signalverarbeitung und Mustererkennung gefasst und bejaht. Im Vortrag werden einige der informatischen Kriterien für die positive Beantwortung der Frage vorgestellt und die Zweifel an ihnen diskutiert.

Gertraud Koch (Universität Hamburg): Medientechnologie und Kulturanthropologie – Ein Gespräch (zusammen mit Manfred Faßler)

Laura Kocksch (Universität Frankfurt): Online Praxis in situ: setParticipantID: (id, network) -> (zusammen mit Petra Ilyes und Andreas Poller)

Forschungen zu und in Online-Umgebungen sind seit langem im Fach präsent. Allerdings stehen solche Forschungen nach wie vor nicht nur vor einer Reihe theoretischer sondern auch forschungspraktischer Herausforderungen. Innovative, kritische und reflexive Auseinandersetzung mit neuen Datenformen, Experimentation mit verschiedenen Datenquellen und Techniken sowie innovativen Methoden, aber auch Kollaborationen mit Forschenden in der Informatik und anderen Disziplinen werden nachgefragt.

Wir skizzieren einige methodologische Herausforderungen interdisziplinärer Kollaboration anhand eines seit 2009 laufenden interdisziplinären Kooperationsprojekts zwischen Kulturanthropolog/innen des Instituts für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Goethe-Universität Frankfurt und Informatikern des Frauenhofer SIT in Darmstadt am Beispiel unserer Studien zu Sozialen Online-Netzwerken.

Wir stellen ein gemeinsam entwickeltes Software-Tool vor, das zusätzlich zur Erhebungsmethode der Selbstauskunft von Beforschten in qualitativen Interviews eine Beobachtungsebene schaffen soll, die Forschende in Online-Umgebungen oft nicht ohne weiteres haben. Das Tool respektiert die Privatsphäre der Beforschten und ihre Eigentumsrechte an ihren Daten. Wir zeigen seine Einsatzmöglichkeiten beispielhaft anhand einer Studie über Nutzungspraxen und Gruppenkonstitution im Sozialen Online-Netzwerk „Facebook“.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit wird in der Forschungslandschaft weithin gefordert. Dies ist jedoch keineswegs einfach umsetzbar, wie eine Reihe von Studien zeigen, und bedarf selbst der Untersuchung. Wir diskutieren daher auch unsere Erfahrungen und Überlegungen zur Problematik interdisziplinärer Arbeit anhand unserer eigenen Forschungskollaboration mit dem Begriff der „Übersetzung“.

Stefan Laser (Universität Kassel): Kommentar Tomasso Venturini (zusammen mit Carsten Ochs)

Torsten Meyer (Universität zu Köln): Next Art Education

 Die nächste Kunst ist die Kunst der nächsten Gesellschaft. Als nächste Gesellschaft bezeichnet der Soziologe und Kulturtheoretiker Dirk Baecker die Gesellschaft, die auf dem Computer als geschäftsführender Medientechnologie basiert. Er geht dabei von der Vermutung aus, dass kaum etwas so große Bedeutung für die Strukturen einer Gesellschaft und die Formen einer Kultur hat wie die jeweils dominierenden Verbreitungsmedien. Folglich wird die Einführung des Computers für die Gesellschaft ebenso dramatische Folgen haben wie zuvor nur die Einführung der Sprache, der Schrift und des Buchdrucks.

Next Art Education ist der Versuch, an diese Vermutung mit der Frage nach adäquaten Reaktionen im Feld der Verkoppelung von Kunst und Pädagogik anzuschließen. Im Vortrag werden substanzielle Fragen für das Verständnis von Kunstpädagogik und Kunstvermittlung im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert aufgeworfen und in Form erster Thesen zur Diskussion gestellt.

Petra Missomelius (Universität Innsbruck): Vermischtes in Zirkulation: (audio-)visuelle Kulturen zwischen Kopie, Imitation und Rekombination

Das Remix oder Mashup wird einerseits als Charakteristik digitaler Medien betrachtet, indem es bereits die Zusammenführung verschiedener Quellen in der Web-Programmierung bis hin zu offenen Programmierschnittstellen des Web 2.0 umfasst, es bezeichnet andererseits aber eine für digitale Medienpraktiken paradigmatische Form usergenerierter Inhalte.
Die das Mashup kennzeichnenden Praktiken von Nachahmung, Weiterentwicklung und Variation sind ebenfalls im Kontext von Aneignungsstrategien zu betrachten. Insbesondere in Bezug auf Fan-Aktivitäten stellt Henry Jenkins fest, dass Medienaneignung als Teil der partizipativen Kultur (später spricht er von der Konvergenzkultur) zu betrachten ist. In Anlehnung an Fiskes Fan-Forschung (Fiske 1992) und de Certeau, der dies nicht als gemeinschaftliche Praxis beschreibt, spricht Jenkins vom textuellen Wildern (textual poaching): Rezipient/innen extrahieren Inhalte, Konfigurationen oder Motive, rekombinieren sie und lesen sie neu (Jenkins 1992 und 2006). Eine Vielzahl der visuellen Artefakte stellt tendenziell affirmative Produktionen im Bereich der Fanaktivitäten dar (vgl. Busse/Gray 2011 und Turk/Johnson 2012).
Die aktuellen Konfigurationen visueller User-Produktionen finden im Lichte einer Neubewertung der Kopie statt, was diese wiederum in Konflikt mit auf traditionellen Verhältnissen beruhenden Rechtsprechungen und ökonomischen Interessen bringt. Was zunächst angesichts dieser Aneignungs- und Nutzungsstrategien zu konstatieren ist, ist die, digital erst ermöglichte, Praxis des Copy and Paste. Hatte bereits Lev Manovich auf den DJ als paradigmatische Figur digitaler Medienkultur hingewiesen, welcher sich softwaregestützt des Fundus der Musikgeschichte als Archiv zur Rekombination und Neuschaffung bedient (Manovich 2001), so ist hier eine veränderte kulturelle Einschätzung des rekombinierenden Kopierens ‚Pla(y)giarism‘ (Federman 1993) im Bereich des Visuellen  deutlich beobachtbar.
Das Mashup ist Teil einer Kultur der Konnektivität (vgl. van Dijck 2013). Als solcher ist es als Ausdruck für die neu geschaffenen Bedingungen und durch diese ermöglichte neue Praktiken zu begreifen. Da Remix und Mashups konstitutive Elemente des Teilens innerhalb von online Netzwerken darstellen, ist diese Praxis maßgeblich von der Logik der Netzwerkmedien geprägt und bewegt sich fluide quer durch die Einzelmedienontologien.   

Marion Näser-Lather (Universität Paderborn): Einschreiben und Codieren: Ethnografisches Arbeiten mit QDA-Software (zusammen mit Christoph Bareither)

Der Vortrag greift einen kritischen Punkt methodologischer Debatten innerhalb ethnografisch arbeitender Disziplinen auf: obwohl diese sich intensiv mit methodischen Fragen der Erhebung und Reflexion ihres Materials auseinandersetzen, kommen dabei die Möglichkeiten und Probleme computergestützter Analyseverfahren kaum zur Sprache. Wir hoffen, durch unseren Vortrag eine kritische Auseinandersetzung mit Qualitative-Data-Analysis-Software (QDA-Software) beziehungsweise Computer Assisted Qualitative Data Analysis (CAQDA) durch die Mitglieder der Kommission „Digitalisierung im Alltag“ anregen zu können.
Im ersten Teil werden anhand eines konkreten Forschungsgegenstands Codierungsverfahren vorgeführt. Dabei soll gezeigt werden, wie im softwaregestützten Analyseprozess Datenerhebung, Auswertung und zugrundeliegende Theorien miteinander verschränkt sind. Aus der Darlegung der materialbasierten Kategorien- und Hypothesenbildung ergeben sich Fragen nach der Einschreibung von Programmarchitekturen und Vorgehensweisen in die Konstruktion von Sinn und Bedeutung im Forschungsprozess. Diese werden dann im zweiten Teil des Vortrags fortgeführt, in dem die grundsätzlichen Zweifel an, Probleme mit, aber vor allem Chancen der Forschung mit QDA-Software zur Debatte stehen. Grundsätzlich bietet computergestützte Analyse veränderte Möglichkeiten im Vergleich zu der beispielsweise an ihre Materialität gebundene Arbeit mit Papier und Karteikarten. Zugleich bringt die Technik  kritisch zu reflektierende Objektpotenziale mit in den Arbeitsprozess ein. Beide Dimensionen gilt es zu reflektieren, wenn digitale Praxen nicht nur Gegenstand, sondern integraler Bestandteil des Methodenrepertoires ethnografischen Arbeitens sein sollen.

Jana Niemeyer (studiumdigitale Frankfurt): Match me if you can: Sozio-technische Dynamiken beim Online-Dating

In diesem Beitrag geht es um Online-Dating, ein mittlerweile fester Bestandteil der Strategien moderner Partnersuche. Das Entwerfen eines (Online-)Selbst und die damit einhergehenden Regulierungsmöglichkeiten kollidieren mit romantisch geleiteten Liebesidealen und richten das Augenmerk auf die Wa(h)re Liebe. Zugleich bieten Informations- und Kommunikationstechnologien eine Spielwiese für Entwürfe gewünschter Persönlichkeiten und diversen Strategien der (Re- )Präsentation und damit der Selbstregulierungen und Selektionsprozesse. Beim Online-Dating entsteht somit eine Situation, in der die Akteure mehr oder weniger zielgerichtet (effizient) versuchen, einen (Flirt-, Sexual- oder Beziehungs-)Partner für sich zu finden. Um adäquat auswählen (selektieren) zu können, werden Vorstellungen über einen Wunschpartner reflektiert (fortschreitend korrigiert) und der persönlichen Suche zu Grunde gelegt. Spezielle Algorithmen, sogenannte Matching-Verfahren stimulieren dabei die Prozesse des Regulierens und (Wieder-)Entwerfens. So eignen sich Online- Dating-Akteure den Dating-Prozess kreativ an, umgehen, differenzieren und erweitern die eigenen Suchkritierien, weder technik- noch sozialdeterministisch, sondern in der sozio-technischen Ausdifferenzierung der Online-Dating-Praxis als wechselwirkendem Prozess.

Carsten Ochs (Universität Kassel): Kommentar Tomasso Venturini (zusammen mit Stefan Laser)

Jörn Petersen (Daimler Stuttgart): „Please go ahead“ – Das Fahrzeug als digitaler Begleiter

Autonomes Fahren macht`s möglich: Das Auto wird nach dem Haus und dem Büro zum dritten Lebensraum, der ganz neue Möglichkeiten bietet. Die Vision „F015“ von Mercedes-Benz  zeigt ein Konzept auf, welches in der Welt in 2030+ als eigenes digitales Endgerät funktioniert. Das Interieur gibt den Nutzern alle denkbaren Möglichkeiten, sich in der digitalen Welt zu bewegen, aber auch die eigene Mobilität digital zu erweitern. Ganz neue emotionale Erlebnisse für den Kunden werden möglich. Zudem tritt das Fahrzeug aktiv mit seiner Umgebung in Verbindung und teilt seine „Erkenntnisse“ anderen Verkehrsteilnehmern mit. Es kann warnen, informieren und helfen und übernimmt so eine ganz eigene Rolle in der mobilen Welt.

Elena Pilipets (Universität Klagenfurt): Gelebte Komplexität der Serie im Kontext digitaler Praktiken (zusammen mit Rainer Winter)

Unter den Merkmalen, die im Diskurs zu aktuellen Fernsehserien immer wieder zur Sprache kommen, gewinnt das Verständnis der narrativen Komplexität und des damit zusammenhängenden seriellen Innovationspotentials zunehmend an Bedeutung. Mit Bezug darauf bekommt man sowohl im wissenschaftlichen als auch im journalistischen Bereich wiederholt zu lesen, dass das Medium Fernsehen durch unerwartet intelligente Erzählformen revolutioniert wurde. Dies wird üblicherweise mit dem Aufstieg des Quality-TV in den späten 90ern, seiner spezifischen Produktionsstrategien und ästhetischen Umsetzung in Verbindung gebracht. Erst seit wenigen Jahren intensivieren sich die Forschungen, die dem Phänomen der narrativen Komplexität aus einer Perspektive nachgehen, die nicht darauf beschränkt ist, das Innovationspotential des seriellen Zusammenspiels von Variation und Wiederholung anhand der Fähigkeit der jeweiligen Serie, bestimmte ästhetische Kriterien zu erfüllen, aufzuwerten. Viel mehr wird dahingehend argumentiert, die Produktivität der Serie vor dem Hintergrund der immerwährenden Selbstreferentialität sich interaktiv konstituierender und in Konkurrenz zueinander stehender medialer und kultureller Transformationsdynamiken zu betrachten.
Die Selbstreferentialität nach dem Prinzip der variierenden Wiederholung wird dabei als wesentliches Merkmal der Populärkultur und der damit einhergehenden seriellen Überbietungsprozesse (Kelleter/Jahn Sudmann 2012), medialer Transformationsprozesse (Beil et al. 2012) aber auch sozialer Praktiken und Lernprozesse (Düllo 2011) aufgefasst, womit zum einen alle Praktiken im Kontext der jeweiligen Serie, zum anderen die Verschaltungen dieser Praktiken mit anderen kulturellen, ökonomischen und medientechnischen Dimensionen gemeint sind. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der Auseinandersetzung mit der transnationalen Serienkultur (Eichner et al. 2013) nach der gelebten Komplexität sich global entfaltender Serienformationen zu fragen, die aufgrund ihrer engen Eingebundenheit in den multimedialen Alltag als offene und interaktive Lebensstilangebote in Erscheinung treten. Ausgegangen wird von einer durch Prozesse der Digitalisierung intensivierten „Verschiebung von Massenphänomenen auf Serienphänomene“ (Theweleit 1998: 223), in der sich auch die Art und Weise, wie sich Medialität und Serialität zueinander verhalten, differenziert und beschleunigt hat.
Im Zentrum der Diskussion steht die spezifische Funktionalität der sich daraus ergebenden medientextuellen und lebensweltlichen Verflechtungen, die durch das Sammeln, Tauschen, Verschieben und Kombinieren von populär ausgehandelten und medienübergreifend vermittelten seriellen Wissenspraktiken operiert. Dadurch, dass sie aufgrund der Beteiligung unterschiedlichster Akteur-Netzwerke an der Erweiterung ihrer Anwendungsfelder arbeiten, erfahren die Serien stets neue Formen der Sozialität, deren Transformationsdynamiken im Anschluss an Bruno Latour und Tommaso Venturini (2010) digitale Spuren hinterlassen. Diese werden am Beispiel der im Jahr 2013 für den deutsch-französischen Fernsehsender Arte produzierten Web-Serie About:Kate diskutiert, die das interaktive Potential digitaler Umgebungen mit dem semiotischen Reichtum des Populären verbindet und daher nach spezifischen Kompetenzen verlangt, die sich unter multimedialen Bedingungen der zeitgenössischen Informationsgesellschaft wohl am besten als Nutzungskompetenzen zusammenfassen lassen.

Referenzen:

  • Beil, Benjamin/Engell, Lorenz/Schröter, Jens/Schwaab, Herbert/Wentz, Daniela. 2012. “Die Fernsehserie als Reflexion und Projektion des medialen Wandels.” In Mediatisierte Welten: Beschreibungsansätze und Forschungsfelder, hrsg. v. Andreas Hepp u. Friedrich Krotz, 197-223,
    Wiesbaden: VS Verlag.
  • Düllo, Thomas. 2011. Kultur als Transformation. Bielefeld: Transcript.
  • Eichner, Susanne/Mikos, Lothar/Winter, Rainer, Hrsg. 2013. Transnationale Serienkultur. Theorie, Ästhetik, Narration und Rezeption neuer Fernsehserien. Wiesbaden: Springer VS.
  • Jahn-Sudmann, Andreas/Kelleter, Frank. 2012. “Die Dynamik serieller Überbietung: Zeitgenössische amerikanische Fernsehserien und das Konzept des Quality TV.” In Populäre Serialität: Narration-Evolution-Distinktion. Zum seriellen Erzählen seit dem 19. Jahrhundert, hrsg. v.. Frank Kelleter, 205-224, Bielefeld: Transcript.
  • Theweleit, Klaus. 1998. Ghosts. Drei leicht inkorrekte Vorträge. Frankfurt/Main: Basel.
  • Venturini, Tommaso/Latour, Bruno. 2010. “The Social Fabric: Digital Traces and Quali-quantitative Methods.” In Proceedings of the Future En Seine 2009: The Digital Future of the City, Cap Digital, 30-15.

Andreas Poller (TU Darmstadt): Online Praxis in situ: setParticipantID: (id, network) -> (zusammen mit Petra Ilyes und Laura Kocksch)

Forschungen zu und in Online-Umgebungen sind seit langem im Fach präsent. Allerdings stehen solche Forschungen nach wie vor nicht nur vor einer Reihe theoretischer sondern auch forschungspraktischer Herausforderungen. Innovative, kritische und reflexive Auseinandersetzung mit neuen Datenformen, Experimentation mit verschiedenen Datenquellen und Techniken sowie innovativen Methoden, aber auch Kollaborationen mit Forschenden in der Informatik und anderen Disziplinen werden nachgefragt.

Wir skizzieren einige methodologische Herausforderungen interdisziplinärer Kollaboration anhand eines seit 2009 laufenden interdisziplinären Kooperationsprojekts zwischen Kulturanthropolog/innen des Instituts für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Goethe-Universität Frankfurt und Informatikern des Frauenhofer SIT in Darmstadt am Beispiel unserer Studien zu Sozialen Online-Netzwerken.

Wir stellen ein gemeinsam entwickeltes Software-Tool vor, das zusätzlich zur Erhebungsmethode der Selbstauskunft von Beforschten in qualitativen Interviews eine Beobachtungsebene schaffen soll, die Forschende in Online-Umgebungen oft nicht ohne weiteres haben. Das Tool respektiert die Privatsphäre der Beforschten und ihre Eigentumsrechte an ihren Daten. Wir zeigen seine Einsatzmöglichkeiten beispielhaft anhand einer Studie über Nutzungspraxen und Gruppenkonstitution im Sozialen Online-Netzwerk „Facebook“.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit wird in der Forschungslandschaft weithin gefordert. Dies ist jedoch keineswegs einfach umsetzbar, wie eine Reihe von Studien zeigen, und bedarf selbst der Untersuchung. Wir diskutieren daher auch unsere Erfahrungen und Überlegungen zur Problematik interdisziplinärer Arbeit anhand unserer eigenen Forschungskollaboration mit dem Begriff der „Übersetzung“.

Georg Russegger (Akademie der bildenden Künste Wien): S-MART – Sprechen wir über eine Ökonomie der Automaten

Klug entworfene Verbindungen von Mensch und Markt sind unter den Bedingungen einer multisensorischen, computer- und netzwerkgesteuerten Umgebung keine Selbstverständlichkeit. Die inflationsartige Verwendung des Begriffs Smart gleicht unter heutigen Bedingungen in Anwendungsformen auf Städte, Börsen, Wohnungen, Fabrikationen, Medienwerkzeuge und Informationsportale einem unabwendbaren Paradigma der Vollautomation.
Ausgehend von Automatenmärkten gesteuert durch Algorithmen ist darzustellen welche soziokulturellen Dimensionen in einem Anwendungszusammenhang als gestaltbar angesehen werden können. Dabei werden grundlagentheoretische Ansätze mit aktuellen Beispielen und Anwendungen verbunden um dies zu diskutieren. Futuristische Ökonomieversprechungen und Bewertungsdualismen von Gut und Böse haben hier weitgehend ausgedient. Es geht um Zugriffsmöglichkeiten und Gestaltungsideologien wie Smart, Green, Open, Fair, Eco. Diese Stichworte geben Aufschluss über politische Praktiken die ohne fundiertes Wissen über Technologie- und Medienwirklichkeiten in globalen Zusammenhängen nicht adäquat adressiert werden können.
Im Aufmerksamkeitsmarkt von “Smart Economies” steht das Prinzip Masse nicht für Kunden sondern für Daten und Marktreife von hochkomplexen technischen Lösungen. Die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften zeichnen sich in ihren Beobachtungs-, Beschreibungs- und Analysfunktionen immer stärker dadurch aus, diese Dynamiken zwar zu erkennen doch keine Sprache bzw. Werkzeuge für eine zielgerichtete Partizipation in Informations- und Wissensökonomien entwickelt zu haben.

Christoph Schindler (DIPF Frankfurt): Heterogene Informationspraxen in der Bildungsforschung – Folgen von Forschungsdaten und Apparaturen in Interaktion

 Seit nun mehr als zehn Jahren wird ausgiebig unter Begriffen wie eScience, Cyberscience und Digital Humanities über Potentiale und Grenzen der Digitalisierung von Forschungspraxen gestritten. Auffällig ist dabei, dass sowohl in den Zukunftsprognosen als auch in den Kritiken mit dem Oppositionspaar digital/analog operiert wird, wobei diese Gegenüberstellung wahlweise mit Attributen wie kollaborativ/individuell oder modern/traditionell verknüpft wird. Anstatt die Zukunft von Forschung über die Materialität zu bestimmen, wird im Vortrag der umgekehrte Weg eingeschlagen und gegenwärtige Forschung, speziell die Bildungsforschung, mit ihrer Erkenntnisproduktion in Interaktion mit Forschungsdaten, Apparaturen und Untersuchungsgegenständen untersucht. Grundlage dafür ist eine ethnographische Informationsforschung, die eine praxeologisch-performative Perspektive einnimmt, mit der die Materialisierung von Forschungsdaten in Herstellungs- und Anwendungsgefügen konsequent verfolgt und beschrieben werden kann. Dabei wurden die untersuchten fünf Forschungsprojekte über eine Visualisierung ihrer Interaktionsgefüge kollaborativ in die Erkenntnisproduktion eingebunden, um eine geteilte Beschreibungssprache zu etablieren und einen kontrastierenden Vergleich zu ermöglichen. Für die Informations-, Wissenschafts- und Technikforschungen stellt dabei sowohl diese Vorgehensweise als auch die Erforschung von Interaktionsgefügen in geistes- und sozialwissenschaftlichen Feldern ein Desiderat dar. Darüber hinaus lässt sich aus einer Infrastrukturperspektive feststellen, dass sich Forschungskapazitäten von Apparaturen nicht in digitale und nicht-digitale Welten zerschneiden lassen, sondern in der Materialisierung von Daten unumgänglich als Potential und Begrenzung für eine Erkenntnisproduktion verkörpert sind.

Christian Schönholz (Universität Marburg): Kommentar Stefan Beck

Alexander Schwinghammer (Bauhaus Universität Weimar): Kommentar Rainer Winter und Elena Pilipets

Dominik Stampfl (GEElab Karlsruhe): Gamification in der Mobilität

Die zunehmende Digitalisierung von Mobilität und Mobilitätsräumen ermöglicht weitergehende Anwendungen wie etwa Gamification. Diese relativ junge Disziplin – die Anwendung von Spieleprinzipien und -mechanismen im spielfremden Kontext – kann als “Werkzeugkasten” verstanden werden, um Ziele auf verschiedenen Ebenen der Mobilität wie etwa in Mobilitätsträgern, in der Infrastruktur oder im Mobilitätssystem zu erreichen. Gamification lässt sich hierbei vielseitig etwa als Steuerungsinstrument nutzbar machen; dadurch können Probleme der heutigen Mobilität adressiert und die Lebensqualität in einem städtischen Mobilitätsraum gesteigert werden. Mit Gamification kann auch das “Mobilitätsvergnügen” insgesamt gesteigert werden, beispielsweise indem funktionale Mobilität wie der öffentlicher Nahverkehr emotionalisiert wird.

Marco Toledo Bastos (Duke University, Durham/University of California, Davis): Serial Hashtag Activism: An Ethnographic Embedment of Big Data

In this talk we describe a population of politically-charged social media users we call serial activists. We mined 20M tweets related to nearly 200 instances of political protest between 2009 and 2013 and identified a network of users tweeting across geographically distant protest hashtags. We resorted to statistical disambiguation to describe the characteristics of this group, which have an ordinary following but bridge disparate language communities and facilitate collective action by virtue of their dedication to a cause. After exploring how serial activists deviate from traditional forms of political activism, we report on a series of in-depth, semi-structured interviews held with 21 such activists. The material was thematically-coded to provide a typology of serial activists and their struggles with institutionalized power, political activism, and social media in the context of political turmoil. This research provides a bridge to the qualitative-quantitative gap in the social sciences by resorting to an ethnographic embedment of big data observations in the lifeworld of political activists.

Tommaso Venturini (Science Po Paris): Four Misunderstanding About Digital Methods

Drawing on the results of the EMAPS project and particularly on the platform Climaps.eu, we will discuss four misunderstanding often connected to use of digital traces:

  1. the use of a notion of digital traces that is both too narrow and too ambitious;
  2. the alternation of oblivion and paranoia on the conditions of digital traces‘ production;
  3. the tendency to confuse digital and automatic;
  4. the hope that the digital traces are easily clamped by conventional methods.

We will try to show than when these misunderstandings are avoided, digital methods can renew the vision of social sciences and help them to overcome the classic divide between qualitative and quantitative methods.

Gisela Welz (Universität Frankfurt): Chair Session: Smart Economy (zusammen mit Andreas Wittel, Eberhard Wolff)

Rainer Winter (Universität Klagenfurt): Gelebte Komplexität der Serie im Kontext digitaler Praktiken (zusammen mit Elena Pilipets)

Unter den Merkmalen, die im Diskurs zu aktuellen Fernsehserien immer wieder zur Sprache kommen, gewinnt das Verständnis der narrativen Komplexität und des damit zusammenhängenden seriellen Innovationspotentials zunehmend an Bedeutung. Mit Bezug darauf bekommt man sowohl im wissenschaftlichen als auch im journalistischen Bereich wiederholt zu lesen, dass das Medium Fernsehen durch unerwartet intelligente Erzählformen revolutioniert wurde. Dies wird üblicherweise mit dem Aufstieg des Quality-TV in den späten 90ern, seiner spezifischen Produktionsstrategien und ästhetischen Umsetzung in Verbindung gebracht. Erst seit wenigen Jahren intensivieren sich die Forschungen, die dem Phänomen der narrativen Komplexität aus einer Perspektive nachgehen, die nicht darauf beschränkt ist, das Innovationspotential des seriellen Zusammenspiels von Variation und Wiederholung anhand der Fähigkeit der jeweiligen Serie, bestimmte ästhetische Kriterien zu erfüllen, aufzuwerten. Viel mehr wird dahingehend argumentiert, die Produktivität der Serie vor dem Hintergrund der immerwährenden Selbstreferentialität sich interaktiv konstituierender und in Konkurrenz zueinander stehender medialer und kultureller Transformationsdynamiken zu betrachten.
Die Selbstreferentialität nach dem Prinzip der variierenden Wiederholung wird dabei als wesentliches Merkmal der Populärkultur und der damit einhergehenden seriellen Überbietungsprozesse (Kelleter/Jahn Sudmann 2012), medialer Transformationsprozesse (Beil et al. 2012) aber auch sozialer Praktiken und Lernprozesse (Düllo 2011) aufgefasst, womit zum einen alle Praktiken im Kontext der jeweiligen Serie, zum anderen die Verschaltungen dieser Praktiken mit anderen kulturellen, ökonomischen und medientechnischen Dimensionen gemeint sind. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der Auseinandersetzung mit der transnationalen Serienkultur (Eichner et al. 2013) nach der gelebten Komplexität sich global entfaltender Serienformationen zu fragen, die aufgrund ihrer engen Eingebundenheit in den multimedialen Alltag als offene und interaktive Lebensstilangebote in Erscheinung treten. Ausgegangen wird von einer durch Prozesse der Digitalisierung intensivierten „Verschiebung von Massenphänomenen auf Serienphänomene“ (Theweleit 1998: 223), in der sich auch die Art und Weise, wie sich Medialität und Serialität zueinander verhalten, differenziert und beschleunigt hat.
Im Zentrum der Diskussion steht die spezifische Funktionalität der sich daraus ergebenden medientextuellen und lebensweltlichen Verflechtungen, die durch das Sammeln, Tauschen, Verschieben und Kombinieren von populär ausgehandelten und medienübergreifend vermittelten seriellen Wissenspraktiken operiert. Dadurch, dass sie aufgrund der Beteiligung unterschiedlichster Akteur-Netzwerke an der Erweiterung ihrer Anwendungsfelder arbeiten, erfahren die Serien stets neue Formen der Sozialität, deren Transformationsdynamiken im Anschluss an Bruno Latour und Tommaso Venturini (2010) digitale Spuren hinterlassen. Diese werden am Beispiel der im Jahr 2013 für den deutsch-französischen Fernsehsender Arte produzierten Web-Serie About:Kate diskutiert, die das interaktive Potential digitaler Umgebungen mit dem semiotischen Reichtum des Populären verbindet und daher nach spezifischen Kompetenzen verlangt, die sich unter multimedialen Bedingungen der zeitgenössischen Informationsgesellschaft wohl am besten als Nutzungskompetenzen zusammenfassen lassen.

Referenzen:

  • Beil, Benjamin/Engell, Lorenz/Schröter, Jens/Schwaab, Herbert/Wentz, Daniela. 2012. “Die Fernsehserie als Reflexion und Projektion des medialen Wandels.” In Mediatisierte Welten: Beschreibungsansätze und Forschungsfelder, hrsg. v. Andreas Hepp u. Friedrich Krotz, 197-223,
    Wiesbaden: VS Verlag.
  • Düllo, Thomas. 2011. Kultur als Transformation. Bielefeld: Transcript.
  • Eichner, Susanne/Mikos, Lothar/Winter, Rainer, Hrsg. 2013. Transnationale Serienkultur. Theorie, Ästhetik, Narration und Rezeption neuer Fernsehserien. Wiesbaden: Springer VS.
  • Jahn-Sudmann, Andreas/Kelleter, Frank. 2012. “Die Dynamik serieller Überbietung: Zeitgenössische amerikanische Fernsehserien und das Konzept des Quality TV.” In Populäre Serialität: Narration-Evolution-Distinktion. Zum seriellen Erzählen seit dem 19. Jahrhundert, hrsg. v.. Frank Kelleter, 205-224, Bielefeld: Transcript.
  • Theweleit, Klaus. 1998. Ghosts. Drei leicht inkorrekte Vorträge. Frankfurt/Main: Basel.
  • Venturini, Tommaso/Latour, Bruno. 2010. “The Social Fabric: Digital Traces and Quali-quantitative Methods.” In Proceedings of the Future En Seine 2009: The Digital Future of the City, Cap Digital, 30-15.

Andreas Wittel (Nottingham Trent University): Arbeit und Technologie im Kapitalismus und im Commons; Chair Session: Smart Economy (zusammen mit Gisela Welz; Eberhard Wolff)

As the title indicates this is a paper about four things: about labour, digital technologies, capitalism, and the commons. More specifically I am interested in the relationship between digital technologies and labour power in two rather different political economies, in capitalism and in the digital commons. This talk has a simple structure: In the first part I will address the relationship between labour power and digital technologies in capitalism. Referring to the work of Gorz, Rifkin and Brynjolfsson and McAfee I will outline why we are at the brink of a severe global crisis of employment and how this crisis is related to digital technologies. The second part is about production in the digital commons and its implications for the building of alternatives to a commodified world. As digital production is at the very heart of cognitive capitalism, the digital commons is not just any other disruption of the process of commodification. This is the field of a fierce struggle over the future of the Internet and the future of capitalism itself. It is potentially the moment which moves back the frontiers of measurement, value and quantification towards qualities, values and an expansion of the gift economy. For this potential to unfold, it is vital that those who are giving, sharing, and contributing for the benefit of humanity are supported by global policies that enable them to do so. They have to be supported because their gifts are not based on reciprocity and the obligation to return the gift. The third part is about policy in relation to labour in the digital commons. This is about the role of the state. One of the more promising ways to support those who contribute with their labour to the building of the digital commons, the paper concludes, is a global basic income scheme.

Meike Wolf (Universität Frankfurt): Chair Session: Digitale Körper

Eberhard Wolff (Universität Basel): Chair Session: Smart Economy (zusammen mit Gisela Welz, Andreas Wittel)